Mit verbundenen Augen – ein italienischer Albtraum
Artikel eingestellt am Mittwoch 13 Mai 2015
Das Glücksspiel ist immer wieder Ziel der Anstrengungen überschlauer kleiner und großer Gauner, sich mit Gewinnen zu bereichern, und ihrem eigenen Glück ein wenig mitzuhelfen.
In Milan ereignete sich Mitte der 90 ein Lotto-Skandal, welcher die Gemüter der familienfreundlichen Italiener zutiefst erschütterte und weite Kreise quer durch die Gesellschaft zog. Gerade im Land der sprichwörtlichen Kinderliebe stellte sich heraus, dass ein Betrugsring sich ebenjener Kinder bediente, um bei der Lotterie groß abzuräumen.
Es war ein Steuerbeamter mit Namen Giuseppe Alberti, mit dem alles anfing, bei dem es jedoch nicht aufhören sollte. Objekt seiner Begierde waren die Gewinnzahlen aus der Trommel, und er sah einen relativ einfachen Weg, die Ziehung so zu manipulieren, dass er regelmäßig Gewinne in die eigene Tasche scheffeln konnte.
Sind Kinder unbestechlich?
Die Lotterie bediente sich einer Ziehungsmethode, welche den damaligen Betreibern manipulationssicher erschien. Bei der Ziehung spielten, neben den Zahlen, Kinder die Hauptrolle. Es waren Kinder im Alter von 8 bis zu jungen Teenagern, welchen vor der Ziehung die Augen verbunden wurden. Die Kinder zogen dann, eine nach der anderen, die Kugeln mit den Gewinnzahlen aus der manuell betriebenen Trommel. Millionen begeisterter italienischer Lottospieler verfolgten regelmäßig die Ziehung.
Giuseppe dachte sich, dass die Methode ein wenig verbesserungsbedürftig war, und begann, mit seinem eigenen betrügerischen Spiel. Der Weg zu den Glückszahlen führte über die Kinder. Doch Kinder sind bestechlich, das wusste er, und machte sich dies zu Nutzen. Tatsächlich bedurfte es nicht mehr als einer langen Reihe von Spielzeugen, welche die Kinder gerne in Empfang nahmen, gegen eine kleine Gegenleistung.
Es war so naiv – und doch gut durchdacht.
Die Augenbinde war ein weiteres Werkzeug. Dieses war ebenso einfach und schnell gefixt. Man besorgte eben einfach Augenbinden, die nicht ganz so undurchlässig waren, und den Kindern ermöglichten, zuvor manipulierte Bälle zu identifizieren, und diese aus der Trommel zu fischen. Die Bälle wurden mit einer Extraschicht Lack überzogen oder anderweitig manipuliert.
Guiseppe und weitere Mitglieder seiner Steuerbehörde bereicherten sich über den Zeitruam von vier Jahren regelmäßig an den so ergaunerten Gewinnen. Doch der Betrug zog noch viel weitere Kreise. Es blieb nicht nur bei den Weihnachtsgeschenken, in Form einer Auswahl der ‚richtigen‘ Lottozahlen, welche an Familienmitglieder und Freunde verteilt wurden.
Es dauerte nicht allzu lange, dann sollte auch das organisierte Verbrechen davon Wind bekommen, und der erste solche Ring, der seine Hände auf das kleine Spiel legen konnte, war die ‚Sacra Corona Unita‘ ein damals noch recht neuer aber brutaler Ring. Mit den erschlichenen Gewinnen aus der Lotterie wurden weitere, noch viel lohnendere Verbrechen finanziert.
Kleiner Gauner, Großer Gauner
Die Beamten bekamen kalte Füße. So weit hatte man doch nicht gehen wollen. Gedacht war der Betrug zur Aufbesserung der schmalen Gehälter, ein weiterer Grund, warum auch häufig Kinder der Beamten oder deren Verwandten die Schicksalskugeln zogen. Schließlich blieb das Geld im Haus.
Aliberti, nachdem er und seine Komplizen versucht hatten, der weiteren Ausbreitung des Betrugs durch organierte Kriminelle Einhalt zu gebieten, und als Antwort darauf eine Reihe von Todesdrohungen erhalten hatten, beschloss, der Polizei seinen Betrug einzugestehen, und Schlimmeres zu verhindern. Doch natürlich war es viel zu spät dafür. Die Verluste der Lotterie lagen in Milliardenhöhe, und die spielbegeisterten Italiener waren sauer.
Während das Ausmaß des skandalösen Betrugs aufgedeckt wurde, schätzte man, dass der Lotterie-Loseverkauf hierdurch gewaltige Einbußen erleiden würde. Doch man hatte die Italiener falsch eingeschätzt. Bereits in der folgenden Woche war der Loseverkauf so hoch wie eh und je.
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